Ein Koch ist kein Konzept!
Ist das eine provokante Aussage oder nur eine Wahrheit, die oft in der gastronomischen Konzeptentwicklung übersehen wird?!
Entschuldigt, ihr Köchinnen und Köche, aber ich bin überzeugt, dass ein Gastronomie- und Foodkonzept eine komplexe und strategische Entscheidung sein muss, damit es nachhaltigen Erfolg haben kann. Es geht nicht um persönlichen Geschmack.
Ich erinnere mich selbst daran, als ich das erste eigene Food Konzept entwickelt habe, dass ich meinen Küchenchef Carsten gefragt habe: Was soll auf die Speisekarte? Da kamen dann die üblichen Vorschläge von Gerichten, die er von vorherigen Läden kannte und die gut liefen. Die Küche wurde entsprechend seinen Vorstellungen gebaut und teuer eingerichtet. Alles basierend auf seinen Erfahrungen. Eine Zeit lang funktionierte es, aber dann gab es einen Wechsel und der neue Küchenchef monierte, vielleicht zu Recht, dass die Küche so nicht gut funktioniert … Die Karte wurde geändert und das Spiel ging von Neuem los. Der Gast fragt sich: Aber gestern war es anders? Habt ihr einen neuen Küchenchef? Der alte war aber besser … Wer kennt das nicht?
Deswegen stellt sich die Frage: Wie kann das vermieden werden? Was wäre der richtige Ansatz?
Drei Grundprobleme sehe ich in der Konzeptentwicklung, speziell in der Hotellerie:
- Timing
In der Hektik der Planung von Hotels spielt leider die Gastronomie oft eine untergeordnete Rolle. Die meisten Planungsbeteiligten sind auch nicht besonders auf die Gastro fokussiert. Selbst bei den Hoteliers wird sie meist als ein notwendiges Übel und oft als verlustreicher Service angesehen. Die Black Box Gastronomie wird leider immer noch zu oft zu spät im Bauprozess betrachtet, und es entsteht der Eindruck, dass die Gastro kompliziert und teuer in der Herstellung ist. Ja, die Gastronomie wird nie die Profitmarge bringen können wie die Zimmer, aber sie muss auch nicht das Kostengrab sein, wie es manchmal den Anschein hat. Die technischen Anforderungen an das Gebäude durch die Gastronomie sind hoch. Die Logistikflächen, die Bodenabdichtungen für die Küchen, die Fettabluftschächte, den Standort für Fettabscheider, der erhöhte Energiebedarf oder sogar ein Gasanschluss etc. sind Aufwand. Aber rechtzeitig und integriert in die Gesamtplanung ist es berechenbar. Hinterher durch 15 Stockwerke einen Schacht für die Fettabluft zu ziehen, ist teuer. Gastronomie sollte von Anfang an ein Teil der Planung sein. Es sollte aber vor allem eine bewusste strategische Entscheidung sein und nicht nur ein Alibi. Denn dann ist Gastro teuer und überflüssig.
- Strategie
Wer plant ein Hotel, ohne das Potenzial des Marktes, die Positionierung und die langfristige Strategie festgelegt zu haben? Wohl keiner. Warum aber wird noch zu oft der Ansatz nicht auch für das F&B-Konzept übertragen? Strategie ist kein Plan, sondern, wie Seth Godin es so treffend beschreibt: Es ist die Philosophie des Werdens. Was soll werden, ist also die Frage. Welche Rahmenbedingungen und welches Setup ermöglichen mir dies? Stellen wir uns die Grundfragen: Welche Funktion soll die Gastronomie haben? Ist es ein Service für mein Hotelprodukt oder ist es ein Profitcenter? Sollen externe Gäste angesprochen werden? Ich bin überzeugt, dass eine Gastronomie immer auch einen wirtschaftlichen Erfolgsanspruch haben muss. Nur dann ist sie gut. Es hilft die Gedankenübung: Was müsste die Gastronomie an USPs haben, damit Gäste kommen, auch wenn es kein Hotel darüber gäbe? Daraus ergibt sich die Tatsache, dass es eine wirtschaftliche Einheit sein muss. Bedeutet, dass wir nicht mehr überlegen müssen, was wir alles anbieten wollen, sondern mit welchen beschränkten Mitteln wir das Maximale erreichen können. Das hat zur Folge, dass wir eine Küche planen mit einer gewissen maximalen Anzahl an Mitarbeitern und nicht aus der Summe der möglichen Umsätze und Ausnahmen ableiten, wie viele wir brauchen, sondern mit den technisch neuen Möglichkeiten mit einer fixen Anzahl an Mitarbeitenden eine maximale Outputmenge definieren. Die Messgröße sind nicht die Ausnahmen, sondern der Median. Das Weglassen ist die Herausforderung. Gastronomie ist nicht ein Zufallsprodukt, sondern ein geplantes Werden.
- Konsequenz
Erfolgreiche Konzepte sind konsequent. Sie folgen ihrer Strategie und setzen sie entschlossen um. Das bedeutet nicht, dass es nur noch Monoprodukt-Gastro geben muss. Auch die Vielfalt kann ein USP sein, wie man es von Ganztageskonzepten kennt. Aber im Hintergrund ist eine geplante Systematik an Produkt- und Warenkorbportfolio, die es erlaubt, dennoch effizient und vor allem wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Da wedelt nicht der Schwanz mit dem Hund. Zu oft wird aus den Anforderungen alles abgeleitet. Die 30 Gerichte bestimmen den Warenkorb, Küchengeräte, Platzbedarf, Mitarbeiteranzahl, Investition usw. Gern ist die Basis auch die Ausnahmen wie mögliche große Events. Daraus ergibt sich dann eine Vielzahl an Bedingungen, die als gegeben angesehen werden. Aber es sollte genau andersherum gedacht werden. Was sind Parameter, die die Gastronomie wirtschaftlich machen? Wie kann ich das Kostenrisiko minimieren und wie viel Volatilität lässt meine Kostenstruktur zu, bevor man in tiefroten Zahlen steht? So gedacht, wäre die Konsequenz, ein Mitarbeiterraster zu erstellen, das mein Kostenrisiko reflektiert, und dann sich die Aufgabe zu stellen, was an Technologie notwendig ist, die durchschnittliche Menge an Gästen pro Stunde zu bedienen und mit welchem Angebot ich solch ein attraktives Angebot gestalten kann, damit ich Gäste anziehen kann, auch wenn kein Hotel da wäre. Konsequente Konzepte sind auch einfach für die Gäste: Sie können sich dafür oder dagegen entscheiden. Durch diese Bottom-up-Strategie ergibt sich dann auch eine komplett andere Küchen- und Restaurantplanung. Es wird nicht mehr für alle Situationen geplant, sondern für die eine, die strategisch, konzeptionell und wirtschaftlich vorgegeben ist.
Welche Rolle haben Köchinnen und Köche dann?
Sie müssen zum Konzept passen und nicht andersherum. Durch eine klare Konzeptionierung gibt es Klarheit für alle Beteiligten. Die Mitarbeitenden kennen die Erwartungshaltung und können sich dafür entscheiden. Die Planer und Küchenplaner können zielgerichtet planen und überflüssige Eventualpositionen eliminieren.
Ein gutes Gastronomiekonzept ist systemisch, zielorientiert und gibt klare Rahmenbedingungen vor, in denen sich dann die Mitarbeitenden kreativ entfalten können für eine emotionale und erfolgreiche Gastronomie.
Fazit: Ein Koch muss zum Konzept passen.